"Die Post bringt allen was" - Samen gegen Gewalt

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12. Okt 2016, Ulrike Stadler (Bäuerin in OÖ)

Stimmt, es gibt kaum einen Tag, an dem der Briefkasten leer bleibt. Unter einem dicken Stapel von Prospekten kommt die neueste Ausgabe eines Magazins für den ländlichen Raum zum Vorschein. Die Überschrift auf der Titelseite kündet in fetten Lettern an: "Big Data" läutet die nächste Agrarrevolution ein. Dann entdecke ich zwischen all dem Papier noch einen echten Brief, handschriftlich an mich adressiert. Er hat eine weite Reise hinter sich. Er kommt aus dem Kongo.

Ich lese besagten Zeitungsartikel und ich lese den Brief. Was nun in meinen Gedanken und meinen Gefühlen in mir vorgeht, kann ich kaum in Worte fassen. Damit bei uns der Pflug punktgenau arbeiten kann (Stichwort:Precision Farming), werden anderswo auf der Welt unsere Berufskollegen mit Buschmessern von ihren Feldern vertrieben und wie Vieh abgeschlachtet. Die Absenderin des Briefes  arbeitet seit mehr als  20 Jahren (!) in einem Behindertenzentrum, in dem vorwiegend Menschen behandelt werden, die bei solchen Massakern gerade noch mit Schnittwunden am Kopf, den Armen oder Beinen davongekommen sind.
Ich fühle mich hilflos der Wut ausgeliefert, die in mir hochsteigt.

Ein Bibelwort fällt mir ein: "Dann schmieden sie Pflugscharen aus ihren Schwertern und Winzermesser aus ihren Lanzen" (Micha 4,3 bzw. Jesaja 2,4). Wer wird mit dieser Revolution beginnen?

Nach einer Woche fasse ich all meinen "Mut" und meine Phantasie zusammen und schreibe handschriftlich einen Brief, dem ich noch eine kleine Tüte Kohlrabisamen beilege. Ich weiß, dass die winzigen Kügelchen, falls der Brief wohlbehalten ankommt, große Freude auslösen werden. Sie sind so etwas wie Mutmacher. Mehr kann ich im Moment nicht tun. Der Brief wird voraussichtlich erst im November sein Ziel erreichen. Er wartet auf einen persönlichen Überbringer. Mit der Post würde er wohl niemals seinen Bestimmungsort erreichen, denn nicht überall auf der Welt bringt die Post allen was.

(Ulrike Stalder)