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Vandana Shiva über Ernährungssouveränität

Vandana Shiva, indische Ökofeministin und Trägerin des Alternativen Nobelpreises, war im Oktober 2011 in Wien. Hier lesen Sie einen Ausschnitt aus dem Interview, das Karin Okonkwo-Klampfer mit ihr führte.

 

ÖBV: Mir ist es wichtig zu wissen, was für einen Standpunkt Sie einnehmen. Ist Ihr Ausgangspunkt die Situation der BäuerInnen oder ist es die Gesundheit der Menschen oder die Unabhängigkeit Indiens?

 

Vandana Shiva: Für mich sind die Fragen der Landwirtschaft und der Ernährung mit der Sorge um die Millionen von Bodenorganismen verbunden aber ebenso mit den Bauern und Bäuerinnen, die in Hitze und Kälte, im Regen und während der Dürre Lebensmittel produzieren. Wir haben in unserer Sprache einen wunderbaren Ausdruck für diese Menschen. Wir nennen sie „Anadatas" - die, die Essen geben - sie sind für die meisten Menschen unsichtbar geworden.

Mir geht es um Ernährungssouveränität, aber das bedeutet nicht, Ernährungssouveränität auf der Ebene der Gemeinden zu zerstören, um Ernährungssouveränität auf der nationalen Ebene zu verwirklichen. Sie können eine nationale Ernährungssouveränität nie erreichen, solange die Menschen nicht darüber verfügen. Es geht um den ganzen Planeten. Der Kampf für eine andere Landwirtschaft als die globalisierte industrielle Landwirtschaft ist für mich ein Imperativ, der sich aus der Klimaproblematik ergibt.

In der Diskussion über den Klimawandel wird aber nicht über Landwirtschaft geredet.

Als ich vor ein paar Monaten mit Al Gore gemeinsam einen Vortrag hielt, fragte ich ihn über die Rolle der Landwirtschaft, denn bei einem Gipfeltreffen hatte ich mit ihm über GVO gestritten. Er war total für GVO, total für Biotechnologie, er hat die Biotechnologie wirklich gepusht. Die meisten Leute, die sich wegen des Klimawandels Sorgen machen, denken nicht über die Landwirtschaft nach. Sie realisieren nicht, dass das dominante Agrarmodell für 40-50% des Klimawandels verantwortlich ist, und dass ein kleinräumiges ökologisches System mit 40-50% zur Lösung des Klimaproblems beitragen könnte. Ich gehe also von all diesen Gedanken aus, ich habe nicht nur einen einzigen Ausgangspunkt. Ich mache diese Arbeit, weil es um das Leben geht und Leben hat nicht nur eine einzige Dimension

 

ÖBV: Ernährungssouveränität ist ein Prinzip, für das unsere Organisation auch befürwortet . Wir werden im Februar 2008 ein Seminar abhalten, bei dem sich Frauen treffen, um zu diskutieren, wie Ernährungssouveränität in Österreich und Europa verwirklicht werden kann, ohne aber Gesellschaften im Süden zu beeinträchtigen oder gar zu zerstören. Was glauben Sie, ist notwendig, um Ernährungssouveränität bei Ihnen zu Hause, aber auch in ganz Indien und auf der ganzen Welt zu verwirklichen?

 

Vandana Shiva: Wir hatten vor kurzem ein größeres nationales Treffen über Ernährungssouveränität, bei dem ein früherer Premierminister dabei war. Dieser Mann - sein Name ist V:P. Singh - verbringt seine Tage nun damit, sich um die Probleme der Armen und der ländlichen Gemeinden zu kümmern. Außerdem war unser Botschafter der Uruguay-Runde, S.P. Shukla bei dem Treffen anwesend. Für uns ist Ernährungssouveränität zuerst und vor allem, Bauern und Bäuerinnen ihr Land zu lassen. Denn die größte Bedrohung für die Landwirtschaft und die Ernährungssouveränität in der Dritten Welt ist heute die Enteignung von Land, unter anderem für den Export landwirtschaftlicher Produkte vom Süden in den Norden. Es gibt viele entwicklungspolitischen Organisationen, die sagen: "Wenn Österreich das Prinzip der Ernährungssouveränität verwirklicht, wird das die Ernährungssouveränität in Indien oder Kenia unterwandern." Das kann nur jemand sagen, der die bäuerliche Landwirtschaft nicht versteht. Das können nur Menschen sagen, die nicht realisieren, dass Bauern und Bäuerinnen bereits entwurzelt worden sind und Land in die Hände der Konzerne gelangt ist, wenn grüne Bohnen aus dem Süden in die Wal-Mart-Filialen reisen. Konzerne exportieren, BäuerInnen nicht; speziell, was Gemüse betrifft. Der internationale Handel mit Gemüse ist für mich der Bereich, der die bäuerliche Landwirtschaft und die Ernährungssouveränität weltweit am meisten zerstört. Gemüse kann überall produziert werden. Es ist absolut falsch, tropische Länder, die bei der Produktion von Gemüse keinen komparativen Vorteil haben, dahingehend zu transformieren, dass sie blödsinnige Baby-Maiskölbchen und dumme Kohlsprossen für die europäischen Märkte produzieren. Das passiert aber! Es verursacht Hunger, es verursacht Enteignungen, es verursacht Landkämpfe im Süden. Land ist also der erste und wichtigste Aspekt im Konzept der Ernährungssouveränität.

Der zweite Aspekt der Ernährungssouveränität ist die Verfügungsgewalt über das Saatgut. Diesem Kampf habe ich mein ganzes Leben gewidmet. Deshalb habe ich „Navdanya" gegründet, die Bewegung für den Erhalt des Saatguts. Wir können Ernährungssouveränität nicht verwirklichen, wenn Bauern und Bäuerinnen keinen Zugang zu ihrem eigenen Saatgut haben. Wenn Sie gerade jetzt nach Indien blicken, dann sehen Sie, dass die größte Anzahl an Selbstmorden von BäuerInnen dort geschehen, wo Bauern und Bäuerinnen die Verfügungsgewalt über Saatgut verloren haben, wo Monsanto die Versorgung mit Saatgut kontrolliert, also ein Monopol über das Saatgut etabliert hat, vor allem in der Gegend, in der Baumwolle angebaut wird.

Der dritte Aspekt der Ernährungssouveränität ist für uns, in der Lage zu sein, Lebensmittel zu produzieren, die die Erde nicht beeinträchtigen und keine Schulden und Abhängigkeiten für BäuerInnen hervorbringen. Pestizide und teures Saatgut, patentiertes Saatgut und GVO zwingen Bauern und Bäuerinnen in die Verschuldung, schädigen die Umwelt und die Gesundheit. Ökologische Landwirtschaft muss ein Bestandteil der Ernährungssouveränität sein.

Ein weiteres Element der Ernährungssouveränität ist, den Markt zu bestimmen. Heutzutage stößt die globalisierte Wirtschaft Bauern und Bäuerinnen weltweit in eine tiefe Krise, indem sie die Preise in den Keller treibt. Nicht, dass der Wert der Lebensmittel abgenommen hätte, Essen ist einfach notwendig. Aber diejenigen, die das Essen produzieren, bekommen ihren fairen Anteil nicht. Gleichzeitig steigen die Preise für Lebensmittel, vor allem in den Ländern des Südens. In Bezug auf Indien kann ich Ihnen sagen, dass die BäuerInnen ein Drittel dessen verdienen, was sie zehn Jahre vor der WTO verdient haben. Was die Leute aber für Lebensmittel bezahlen, hat sich seitdem vervierfacht.

Die Lebensmittelpreise werden die politische Bewährungsprobe für alle Parteien in unserem Teil der Welt darstellen. Deshalb erhalten wir in "Navdanya" unser Saatgut, deshalb betreiben wir ökologische Landwirtschaft aber auch Direktvermarktung, von den Feldern geradewegs zu denen, die essen müssen. Weil jetzt Giganten wie Wal-Mart und andere Einzelhandelsketten nach Indien kommen wollen, haben die Frage der Ernährungssouveränität und auch die Frage der Marktkontrolle eine neue Bewegung geschaffen. Wir haben diese Bewegung zusammengetrommelt, koordiniert und vorangetrieben, eine Bewegung für einen „demokratischen Einzelhandel". Ein neues Wort, das entstanden ist! Ich bin sehr glücklich darüber, dass wir in den drei Monaten seit der Entstehung dieser Bewegung bereits einiges gegen die Bedrohung seitens der Handelskonzerne tun konnten: In sechs Bundesstaaten haben wir es geschafft, Riesenkonzerne zu verbieten, nur durch gesellschaftliche Mobilisierung.