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Frauen

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53 % der Familienarbeitskräfte auf österreichischen Bauernhöfen sind Frauen. 30 % der Betriebe - hauptsächlich Klein- und Nebenerwerbsbetriebe - werden von Frauen geleitet. Österreich ist hier innerhalb der EU Spitzenreiter.

Laut der Bäuerinnenbefragung 2006 sind 41,8% der Bäuerinnen in Österreich alleine Betriebsinhaberinnen. 41% teilen sich die BetriebsinhaberInnenschaft mit ihrem (Ehe-)Partner. Die Im Vergleich zu den Bäuerinnenbefragungen 1986 und 1996 markieren diese Zahlen eine Fortsetzung des Trends der zunehmenden alleinigen weiblichen Betriebsverantwortung, und zwar von 12% auf 17% auf 42&. Frauen sind allerdings vor allem Inhaberinnen von Nebenerwerbsbetrieben. Außerdem lässt sich feststellen, dass Frauen desto häufiger alleinige Betriebsinhaberin sind, je kleiner die Bewirtschaftsungsfläche des Hofes ist. Große Höfe ( über 51ha) liegen zu 30% in weiblicher Hand (20% in männlicher) und unter den kleinsten Höfen (2-5ha) ist mehr als jeder zweite auf die Bäuerin angeschrieben (55%), auf den partner allein sind nur 17% angeschrieben. 

Daten aus "Situation der Bäuerinnen in Österreich 2006", herausgegeben von der Arbeitsgemeinschaft Österreichische Bäuerinnen 2006.

 

 

Die Situation der Frauen in der österreichischen Landwirtschaft

Auch wenn Frauen meist aufgrund von sozialversicherungsrechtlichen oder fördertechnischen Erwägungen zu Betriebsführerinnen werden, ist ihre zentrale Rolle auf den Höfen, in der Region und in der österreichischen Landwirtschaft unumstritten.

Im Jargon der offiziellen Agrarpolitik ist die Bäuerin die Garantin einer wirtschaftlich erfolgreichen Landwirtschaft und die Hoffnungsträgerin für die Zukunft:

„Die moderne Bäuerin ist neben ihren alltäglichen Aufgabenbereichen in Haus, Hof und Familie heute vor allem auch als Managerin und Kommunikatorin gefordert. Um erfolgreich zu sein, muss sich die Bäuerin stets auf neue Produktionszweige und Dienstleistungen einstellen und ihre Produktionsschwerpunkte im Betrieb mit den Märkten und regionalen Entwicklungskonzepten abstimmen. Die Professionalisierung und berufliche Qualifikation ist daher gerade für Frauen in der Landwirtschaft ein überaus wichtiges Fundament für die Bewältigung ihrer Aufgaben im Familienbetrieb…. Österreichs Bäuerinnen stellen sich den wirtschaftlichen Herausforderungen und setzen neue Impulse im bäuerlichen Familienunternehmen. Damit sie den ständig steigenden Anforderungen auch gewachsen sind und den Arbeitsplatz Bauernhof erhalten können, brauchen sie vor allem auch Unterstützungen in rechtlichen Fragen, die eine aktive und wirtschaftlich erfolgreiche Landwirtschaft im ländlichen Raum sichern“ (http://presse.lebensministerium.at ).

Aktiv, erfolgreich und professionell, flexibel und qualifiziert – so stellen sich Agrarpolitiker die ideale Bäuerin vor.

Die tatsächliche Situation der österreichischen Bäuerinnen gestaltet sich jedoch nicht nur rosig. Im Folgenden einige Schlaglichter:

Situation der Landwirtschaft

Die Zielrichtung der EU-Agrarpolitik verstärkte sich mit der Agenda 2000 hin zu Weltmarktorientierung, Liberalisierung der Agrarmärkte und Wettbewerb. Ein Strukturwandel („Wachsen oder Weichen“) in der Landwirtschaft ist die - von der EU-Agrarpolitik angestrebte - Folge. Während die Produktpreise sinken, steigt der Anteil am Einkommen aus öffentlichen Geldern ständig (2003: im Durchschnitt 80 %). Das vermehrt die Abhängigkeit der Bäuerinnen und Bauern von der Agrarpolitik. Die ungleiche Verteilung der Fördermittel setzt sich ebenfalls fort: 2004 erhielten 31% der Höfe im unterem Förderbereich - Bergbauernhöfe und Kleinbetriebe - nur durchschnittlich € 1.605 pro Betrieb/Jahr, das sind 5% vom Fördertopf. Dafür kassierten 3% am oberen Ende durchschnittlich € 56.300,- pro Betrieb, das sind 16% der Mittel.

Gerade diese kleineren Betriebe - und damit Frauenarbeitsplätze am Land – sind durch die derzeitige Agrarpolitik in ihrer Existenz bedroht.

Pensionsreform

Die Einsparungen im Rahmen der so genannten Harmonisierung im Pensionssystem sind auf dem Rücken der Frauen ausgetragen worden:

  • für viele Frauen unter 50 wird es einen Pensionsanspruch unter oder nahe der Armutsgrenze geben, weil sie durch die kleinen Höfe geringe Berechnungsgrundlagen haben.
  • die Lebensbiographie von Frauen ist so gestaltet, dass ein voller Durchrechnungszeitraum / ein gefülltes Pensionskonto kaum erreichbar ist und die Einkommenssituation es nicht erlaubt, Beitragszeiten nachzukaufen.
  • eine bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten kann darüber nicht hinwegtäuschen
  • das Fehlen von Kinderbetreuungsplätzen am Land führt zu langen Kinderpausen
  • für Alleinerzieherinnen kommt es zu einer Häufung von Armutskomponenten
  • Frauen über 50 fallen um die bessere Bewertung der Kindererziehungszeiten um
  • für Bäuerinnen kommt „ein theoretisches Einkommen“ (fiktives Ausgedinge) für das Bewohnen von Räumlichkeiten am Hof hinzu – somit wird die Ausgleichszulage nicht in voller Höhe gewährt. Hier wird ein Einkommen unterstellt, wo keines ist.
  • das Ansteigen des Pflegebedarfs von alten, kranken und behinderten Menschen wird fast ausschließlich von Frauen abgefedert

 

Frauenbeteiligung an der Agrarpolitik

Landwirtschaftspolitik ist von jeher fast ausschließlich Männerangelegenheit. Obwohl mehr als die Hälfte der in der Landwirtschaft Beschäftigten Frauen sind, beträgt der weibliche Anteil in der Hauptversammlung der Landwirtschaftskammern nur 14,6 %. Alle bedeutsamen Funktionen in Politik und Verwaltung, in der Interessensvertretung, der Sozialversicherung, in Genossenschaften, Molkereien, Agrargemeinschaften und Maschinenringen werden von Männern wahrgenommen. Auch im Ministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft werden nur ein Viertel der Abteilungen von Frauen geleitet.

Trotz der niedrigen Beteiligungsrate in den agrarpolitisch relevanten Gremien findet Organisation und Vernetzung von Frauen im Bereich der Landwirtschaft statt. Die in der Präsidentenkonferenz der Landwirtschaftkammer eingeordnete „Arbeitsgemeinschaft der Bäuerinnen“ ist auf Dorf-, Landes- und Bundesebene durchorganisiert. Ihre Einflussnahme ist vor allem auf Familie, Soziales, Bildung und Erwerbskombination gerichtet.

Kleinere Bäuerinnengruppen wie die„Sozialdemokratischen Bäuerinnen“, die „Grünen Bäuerinnen“ oder der überparteiliche „Frauen-Arbeitskreis der ÖBV“ sind agrarpolitisch aktiv.

Rolle der Frauen in der ländlichen Entwicklung

Die Zielsetzung des EU-Förderprogrammes „Ländliche Entwicklung“ liegt in der Erhaltung der Landwirtschaft und des landwirtschaftlichen Bereichs als Motor der nachhaltigen Entwicklung ländlicher Regionen.

Die Bedeutung der Frauen, ihrer Innovationskraft und ihrer vielfältigen Leistungen für die österreichische Landwirtschaft und den ländlichen Raum wird bei Evaluierungen nicht gesondert bewertet und kann somit als Erfahrungsschatz für künftige Programme und Projekte nicht herangezogen werden. Zum Beispiel wäre es interessant darzustellen, inwieweit Frauen in den EU-Projekten als Mitglieder integriert sind. Die Wahrnehmung der eigenen Interessen, das Eingebundensein und die Mitsprache in Entscheidungsprozessen sollte in Zukunft für immer mehr Frauen eine Selbstverständlichkeit werden. Daher ist es notwendig, die bisherige Partizipation von Frauen in ländlichen Entwicklungsprojekten sichtbar zu machen und auch die nötigen geschlechtsspezifischen Daten einzuholen.

Bildung

Erwachsenenbildung hat im Zusammenhang mit der Bewältigung des Strukturwandels für die ländlichen Regionen eine zentrale Bedeutung Vor allem Frauen, die im ländlichen Raum nach wie vor großen Ungleichbehandlungen ausgesetzt sind, könnten von Weiterbildungsangeboten profitieren, welche auf die Erlangung von Eigenmächtigkeit abzielen.

Derzeit ist leider wieder eine verstärkte Kompensations- und Defizitpädagogik in den landwirtschaftlichen Weiterbildungsangeboten der großen Bildungsinstitute zu beobachten. Die brachliegenden Kompetenzen und Potenzen von Bäuerinnen könnten viel eher durch eine basisorientierte Bildungsarbeit geweckt und gefördert werden.

Umsetzung von Gender Mainstreaming

In manchen Politikfeldern und Verwaltungsbereichen hat GM bereits eine „gewisse Macht des Faktischen“ erreicht, nicht jedoch in der Agrarpolitik und in der ländlichen Entwicklungspolitik.

Den formalen Erklärungen hinsichtlich der Verankerung der Chancengleichheit von Frauen und Männern im österreichischen Programm für die Entwicklung des ländlichen Raumes folgen keine weiteren Ziel- oder Maßnahmenformulierungen etwa in Hinblick auf die Reduzierung von Ungleichheiten oder die Förderung der Gleichbehandlung von Frauen und Männern.

Im Sinne von Gender Budgeting sind die Ausgaben im Bereich der Agrarpolitik und Politik für die ländliche Entwicklung auf Geschlechtergleichstellung zu überprüfen. Dazu müssen sich die AkteurInnen in diesem Bereich verstärkt weiterbilden.

Eine Politik für die Entwicklung des ländlichen Raumes kann auf das Potenzial der Frauen nicht verzichten, wenn die Entwicklungsprozesse gestärkt werden sollen.

Forderungen der ÖBV-Via Campesina Austria:

Im Bereich ländliche Entwicklung müssen alle Maßnahmen, die kleine, umweltgerecht wirtschaftende Höfe und/oder Frauenarbeitsplätze am Land schaffen, erste Priorität erhalten, damit Chancengleichheit am Land erreicht wird, d.h. hier ist im Sinne von Gender Mainstreaming pro-aktives Handeln notwendig.

Für eine sinnvolle Evaluierung von Programmen und Projekten braucht es geschlechtsbezogene Daten im Bereich Landwirtschaft und Ländliche Entwicklung, um den Wirkungsgrad der Maßnahmen hinsichtlich der Sicherung und Schaffung von Frauen- und Männerarbeitsplätzen feststellen zu können.

Der Prozess des GM soll im BMLFUW in Gang gesetzt werden und sich auf alle Bereiche und Ebenen der Programmumsetzung ausweiten. Weiters fordern wir die Anwendung einer geschlechtergerechten Sprache in den Programmdokumenten, Berichten, Evaluierungen sowie bei der Berichterstattung in der Öffentlichkeit.

Die Mittel für Erwachsenenbildung müssen für einen breiteren Kreis an AkteurInnen aufgestockt werden. Wertvolle ehrenamtliche Arbeit von Frauen am Land soll mit regionalen Bildungsbudgets unterstützt werden.

Zur Förderung von Frauenbildung im ländlichen Raum und im Sinne von geschlechtergerechter Didaktik braucht es in den Seminaren die Geschlechterperspektive als Inhalt, geschlechterbezogenes Verhalten der Unterrichtenden, entsprechende methodische Gestaltung der Seminare und Rahmenbedingungen für die Bildungsarbeit.

Literatur:

Grüner Bericht, 2005, BMLFUW.

Oedl-Wieser, Theresia, 2004: Chancengleichheit im Rahmen des österreichischen Programms für die Entwicklung des ländlichen Raumes. Mid Term Evaluierung 2003. Facts & Feature Nr. 28 der Bundesanstalt für Bergbauernfragen. Wien. (http://www.berggebiete.at )

Baumhöfer, Elisabeth, 2003: „Für das Leben lernen wir“, Bildungsstudie der Österreichischen Bergbauern und Bergbäuerinnenvereinigung im Auftrag des BMLFUW.

Autorinnen: Maria Vogt, bearbeitet von Irmi Salzer